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Die unbegründete Angst meine Weiblichkeit zu verlieren


Vor etwas mehr als zwei Jahren musste ich einen Entscheid fällen und ich fühlte mich dazu eigentlich noch gar nicht bereit. Ich war 36 Jahre alt. Meine biologische Uhr – klar die tickte bereits zu diesem Zeitpunkt – dennoch tickte sie noch nicht so laut. Mit meinen Wechseljahren habe ich mich bis dahin nie auseinander gesetzt. Die Wechseljahre einer Frau können sich zwar über mehrere Jahre und sogar Jahrzehnte erstrecken. Ich jedoch habe mich bis zu diesem Zeitpunkt nur mit der Frage beschäftigt, ob ich Mutter sein will oder kinderfrei durchs Leben gehen möchte. Dass dieser Prozess aber noch einiges mehr zu bieten hat, als nur die Frage des Kinderwunsches zu beantworten, habe ich dann sehr schnell erfahren. Die Wechseljahre verstehe ich als einen ähnlichen Prozess wie der der Pubertät - nur einfach ca. 35 Jahre später und mit etwas anderen Begleiterscheinungen. Werden wir innerhalb der Pubertät zu einem Menschen, der in der Theorie Kinder produzieren kann, werden wir in den Wechseljahren zu einem Menschen, dem es nicht mehr möglich sein wird, biologisch Kinder zu produzieren. Um einfach einmal die bekannteste Veränderung der beiden Prozesse zu erwähnen.


Ich bin überzeugt, die Natur hat sich dabei etwas überlegt, dass diese Prozesse mehr oder weniger in oder ab einem gewissen Alter angestossen werden. Es hat sich für mich richtig und natürlich angefühlt, dass ich mit ungefähr 12 Jahren in die Pubertät kam. Es hätte sich deshalb bestimmt auch natürlich und richtig angefühlt, wäre ich mit ca. 47 Jahren (was das Durchschnittsalter bei der biologischen Frau ist) in den Wechseljahren angekommen. Es fühlte sich deshalb so falsch an, mit 36 Jahren in diesen Prozess gestossen worden zu sein. Ich war einfach noch nicht bereit dazu!

Weil sich mein Brustkrebs von den beiden weiblichen Hormonen Progesteron und Östrogen ernährte, machte es die zwei Hormone zu Übeltätern in meinem Körper. Die logische Folge daraus ist, meine Hormonproduktion zu hemmen, damit ein weiterer Krebs verhindert werden kann und auch soll. Tja, so simple wie das klingen mag und es mir auch als sehr rationale und logische Erklärung erschien, desto mehr machte mir die Erkenntnis Angst, auf meine Hormone zu verzichten. Ohne hier übertreiben zu wollen und es fällt mir auch schwer das zuzugeben, dennoch machte mir eine eventuelle Chemotherapie ganz zu Beginn weniger Angst als der Verlust meiner Hormone. Ich weiss, shame on me – wirklich, ich weiss! Mittlerweile sehe ich das ganz anders.

A-B-E-R ihr wisst, wie sehr ich meine Weiblichkeit und mein Frausein geniesse und jetzt sollte ich von einem Tag auf den anderen, auf den Treibstoff verzichten, der das aus mir macht? Das wäre dasselbe, wenn man dem Pizzateig den Mozzarella und den Tomatensugo verweigern würde. Was wäre es dann noch? Na klar – Pizza Bianca, aber ich will nicht eine Pizza Bianca sein. Ich will die Margherita, Quattro Formaggio, Quattro Stagioni oder von mir auch die Pizza Diavola sein. Ich will im übertragenen Sinne auch Belag haben, der mich spannend und würzig macht.

Für mich war es eine wirklich schlimme Vorstellung, ohne meine beiden weiblichen Hormone zu leben. Wie werde ich sein, wenn ich sie nicht mehr habe? Ich habe mir diverse Horrorszenarien vorgestellt: von total ergrauten Haaren und unglaublich vielen Falten mit bereits 37 Jahren über die Angst, meine Sexualität zu verlieren bis hin zu Stimmungsschwankungen, die jeden Menschen um mich herum zwingt, fluchtartig den Raum zu verlassen. Nichts von alledem traf ein. Es gab auf jeden Fall einige Veränderungen in meinem Körper. Jedoch nie so dramatische wie ich sie mir vorgestellt habe.

Zu Gute kommt mir natürlich, dass ich mich entschieden habe, nicht komplett auf meine Hormone zu verzichten. Ich nehme jetzt täglich ein Medikament, das diese nur hemmt. Das bedeutet, meine Hormonproduktion ist noch nicht ganz eingestellt und somit habe ich nur wenige und erträgliche Wechseljahrbeschwerden.


Trotzdem zwang mich dieses Erlebnis, mich mit der Frage auseinander zusetzen, was den eine Frau ausmacht? Wer definiert, was eine Frau braucht, um eine Frau zu sein und sich als Frau zu fühlen? Sind es die weiblichen Geschlechtshormone oder sind es meine weiblichen körperlichen Attribute wie Brüste und Vulva. Oder ist es noch etwas ganz anderes? Vor zwei Jahren konnte ich mir diese Fragen nicht beantworten, weil ich Angst hatte, mein Frausein durch den Verlust meiner Hormone oder meiner Geschlechtsorgane zu verlieren. Und noch heute weiss ich die Antwort nicht genau. Dennoch ist mein Blick darauf mit einem weiteren und schärferen Winkel dafür ausgestattet.


Weil was ist denn mit Transfrauen? Sie fühlen sich als Frauen und sind Frauen. Haben jedoch zum Teil männliche Geschlechtshormone und auch männliche Geschlechtsteile. Trotzdem sind Transfrauen auch Frauen, obwohl ihnen die „typischen“ Merkmale dafür fehlen. Deshalb nehme ich an, dass meine Befürchtungen am Anfang meiner Geschichte unbegründet waren. Auch ohne Hormone hätte ich mich immer noch als Frau gefühlt. Meine Seele ist nämlich durch und durch weiblich und sie braucht keine Hormone oder weibliche Geschlechtsorgane, um sich als Frau zu fühlen.


Selbstverständlich bin ich unheimlich froh, darf ich noch fast ganze zehn Jahre vor meiner biologischen Zeit sein und darf noch ein Weilchen Mrs. Östrogen und Madam Progesteron geniessen und dass ich trotz Brustamputation wieder mit zwei Brüsten durch die Welt gehen kann. Aber und jetzt kommt das grosse ABER: ich würde heute auf beides - ohne mit der Wimper zu zucken - verzichten, wenn es mein Leben retten würde. Ich weiss jetzt, dass ich mich immer noch weiblich fühlen und mein Frausein geniessen würde.


Was lernen wir daraus? Nicht die äussere Erscheinung oder unsere biologischen Vorgänge im Körper machen uns zu Frau, Mann oder nonbinären Person. Sondern unsere Gefühle, unsere Psyche, unser Herz und unsere Seele definieren wer wir sind und wie wir uns fühlen. Das kannst nur du alleine für dich wirklich wissen und niemand anderes kann das für dich bestimmen und definieren. Deshalb fühle dich frei in deinem Fühlen und lebe es. Weil genau das ist richtig!


Go for it!

Eure MINKA

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