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Werden wir doch alle mündig


Viele meiner männlichen Freunde oder auch Familienmitglieder sind Patriarchen. Ich weiss, ich lehne mich gerade sehr weit aus dem Fenster mit dieser These. Lasst es mich aber zuerst erklären. Diese Männer verstehen sich selbst nicht als Patriarchen und sind einfach und ohne es zu hinterfragen zu dem geworden, was unsere Gesellschaft ihnen vorlebt. Deshalb habe ich auch ein gewisses Verständnis für das heutige Patriarchat, da ich nämlich der Meinung bin, dass die meisten betroffenen Männer sich ihrer Rolle gar nicht bewusst sind und sie sich einfach an das schon bestehende Gefüge angepasst haben.


Mein männliches Umfeld fragt sich sicherlich soeben: gehöre ich da auch dazu? Oder denken sich: ganz klar, ich gehöre absolut nicht dazu. Kein Einziger würde sich als Patriarchen bezeichnen. Das ist auch gut so, weil das zeigt, dass man kein Patriarch sein möchte. Nichtsdestotrotz hier ein paar patriarchische Beispiele aus meinem Alltag:


Der Schwiegervater, der fragt: warum ich genau so viel wie mein gleichberechtigter

männlicher Geschäftspartner verdiene.

Der Verwandte, der meine Logik - Hausarbeiten und andere Care-Arbeiten während

der Arbeitszeit zu erledigen, wenn ich im Berufsalltag nicht ausgelastet bin – zwar

geduldig und interessiert anhört, mir aber das Gefühl vermittelt, das dies

nicht umsetzbar und auch nicht fair gegenüber meinem Geschäftspartner ist.

(Randbemerkung: ich bin mit meinem Lebenspartner zusammen selbstständig)

Der Vater, der meint, dass ich halt schon immer eine Rebellin gewesen bin, wenn ich

mich als Feministin bezeichne.

Der eine Bürokollege, der mich wie Luft behandelt und das eine heikle Thema

ausschliesslich mit meinem Geschäftspartner bespricht, obwohl ich diejenige war, die

ihn darauf angesprochen hat und es gerne mit ihm klären möchte

Die Arbeitskollegen, die Freude zeigen, wenn ich in ihr Büro komme und mich dazu

auffordern in meinen High Heels und meinen körperbetonten Hosen doch noch ein paar

Mal den Flur auf und ab zu gehen

Der Freund, der mich kleinredet und all meine Erklärungen und Begründungen im

Keim erstickt, nur weil ich nicht der gleichen Meinung bin wie er.

Der andere Freund, der mir sagt, dass Entscheide betreffend mein Körper, nicht

ich alleine treffen darf, sondern ich meinen Lebenspartner mitentscheiden lassen

muss.

Der Bankangestellte, der mit meinem Geschäftspartner reden will, obwohl ich die

Verantwortung über alle Finanzen habe.


Diese Liste könnte unendlich weitergeführt werden. Ich möchte jedoch hiermit einfach aufzeigen, wie es - ich sage dem einfach einmal unterschwelliges Patriarchat - funktioniert. All die erwähnten Menschen mag ich sehr. Na gut, der Bankangestellte lassen wir mal weg, also der ist auch nett, aber alle anderen liegen mir echt am Herzen. Sie sind allesamt gute Menschen. Sie funktionieren und handeln nicht als Patriarchen im Sinne, dass sie bewusst ein Machtspiel mit mir führen oder mich unterdrücken wollen. Es ist einfach normal. Ja, leider einfach normal. So ist es nun einmal, aber es ist wirklich an der Zeit, dass wir weitergehen.


Auch ich musste auf meinem bisherigen Lebensweg Muster, Gewohnheiten, Ansichten und Prägungen hinterfragen und je nachdem umprogrammieren. Es ist völlig logisch, dass wir von unseren Eltern, Lehrer*innen, Chef*innen, unserem Freundeskreis und Arbeitsumfeld lernen und Denk- und Verhaltensmuster aneignen. Das ist der Lauf der Dinge. Wir lernen voneinander. Du hast aber auch die Selbstverantwortung das Gelernte zu hinterfragen und zu überdenken. Und ja klar, es hat sich bereits viel in der Gleichberechtigungsfrage getan, aber wir sind noch lange nicht am Ziel.


Wir sind alle mündig und sollten uns gemäss Immanuel Kant, der das schon vor über 200 Jahren erkannt hat, doch unserem eigenen Verstand bedienen können. Mein Appell an alle da draussen: wartet nicht darauf, dass sich die Menschheit verändert, das wird sie nicht, wenn ihr es für euch ganz alleine auch nicht macht. Denn wenn wir uns im Kleinen nicht verändern können, werden wir es im Grossen gar nie schaffen.



Eure grossdenkende MINKA

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Immanuel Kant (1724 – 1804) war ein deutscher Philosoph der Aufklärung.




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