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Wie privilegiert bist du?


Was ist deine Definition von Privilegien? Hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, ob du privilegiert bist? Falls noch nicht, wäre es schön, wenn du dir einmal die Zeit dafür nehmen würdest, um dir diese Frage zu beantworten.


Gemäss Duden ist die Definition von einem Privileg folgende: einem Einzelnen / einer Einzelnen, einer Gruppe vorbehaltenes Recht, Sonderrecht; Sonderregelung.


Besitzt du also Sonderrechte oder geniesst ein Recht, das nicht jede*r hat?


Ich zum Beispiel bin eine überaus stark privilegierte Person. Ich bin eine weisse, nicht behinderte, hetero Cis-Frau und bin zu all dem auch noch in der Schweiz geboren. Für diese Privilegien musste ich mich nicht anstrengen, um sie zu erreichen, denn diese wurden mir einfach mit in die Wiege gelegt. Das heisst, in den grossen Bereichen der Diskriminierung – Rassismus, Homo-, Trans-, und Behindertendiskriminierung - bleibe ich verschont. Die einzige wirkliche Diskriminierung, die ich kenne und auch immer wieder erfahre, ist die des Sexismus. Wäre ich zu allen meinen Privilegien also auch noch männlich, würde ich kaum bis gar keine Diskriminierung erfahren.


Ich kann gerade erahnen, wie viele bei dieser Aussage die Nase kräusseln, die Augen verdrehen und das grosse „ABER“ mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf der Zunge liegt. Hast du dir aber schon einmal überlegt, was Diskriminierung wirklich bedeutet?


Diskriminierung bedeutet nicht, etwas in meinem Leben zu wollen oder zu sein, was für mich möglich wäre zu erreichen und ich es dann nicht bekomme oder auch nicht bin. Dann habe ich mir einfach eventuell zu wenig Mühe gegeben oder andere Umstände haben das Erreichen meines Ziels verhindert.


Nein, Diskriminierung bedeutet, wenn ich etwas in meinem Leben will oder sein möchte, was für mich unmöglich ist, zu erreichen und ich auf Grund dieser Voraussetzung ungerechtfertigt behandelt und unterdrückt werde.


Man könnte jetzt behaupten: tja, es ist ja mittlerweile möglich, mich biologisch in einen Mann zu verwandeln, um dann praktisch alle Privilegien zu besitzen. Das stimmt, aber dann würde ich – da bin ich mir ziemlich sicher – Transdiskriminierung erfahren, weil ich eben im falschen Körper geboren wurde. Somit würde ich wieder von unserer Gesellschaft unterdrückt werden und das in so vielen Bereichen, die ich mir in meiner Vorstellung nicht einmal annähernd ausmalen kann.


Schon nur das kleine rote Büchlein mit dem weissen Kreuz darauf beschert mir Privilegien, die sich viele von uns eventuell noch gar nie überlegt haben. Die Vorzüge, die sich daraus ergeben, sind unzählige. Hast du dir schon einmal vorgestellt, wie es wäre, wenn du einen syrischen Pass besitzen würdest und du in Syrien leben würdest? Siehst du? Der Unterschied zum Leben in der Schweiz ist immens. Viele Privilegien, die wir hier in der Schweiz geniessen, wurden uns einfach geschenkt und wir mussten nichts und wirklich absolut nichts dafür tun. Falls du dir also zu Beginn dieses Textes nicht sofort beantworten konntest, ob du Privilegien besitzt und du Schweizer*in bist, hast du hier bereits ein Privileg, dass ich dir auf dem Silbertablett serviere. Schweizer*in zu sein ist also nichts, worauf man wirklich stolz sein muss, denn wir mussten dafür ja keine Leistungen erbringen, dass wir es sind. Wir haben diese Nationalität einfach ohne etwas zu tun, erhalten. Wir dürfen aber auf jeden Fall oder besser noch, wir sollten unbedingt dankbar sein, dass wir Schweizer*innen sind, da wir wirklich viele Privilegien geniessen dürfen.


Auch bei Jobbewerbungen wurde ich sicherlich auf Grund meines Namens, meiner Hautfarbe und meiner nicht-Behinderung schon einige Male bevorzugt und erhielt nicht sofort eine Absage. Was aber eventuell bei einer anderen Person geschehen ist, die sich auf dieselbe Stelle beworben hat, jedoch einen Namen besitzt, den wir in unserer Sprache nicht gewohnt sind, eine andere Hautfarbe als weiss hat oder mit einer Behinderung lebt. Es könnte aber sein, dass diese Person viel qualifizierter für den Job gewesen wäre als ich. Auch hier: für meinen Namen, meine Hautfarbe und für meine nicht-Behinderung musste ich keine bestimmten Leistungen in meinem Leben erbringen und mich anstrengen. Diese erhielt ich einfach so und das sind weitere Privilegien, worüber sich viele wahrscheinlich auch noch nicht bewusst Gedanken gemacht haben.


Es gibt unzählige weitere Beispiele in meinem Leben, in denen ich privilegiert bin. Was ich mir aber von diesen wenigen Beispielen erhoffe und wünsche ist, dass sich jede*r einmal überlegt, wie privilegiert jede*r einzelne von uns ist.

Je mehr wir wissen, was uns einfach geschenkt wurde, ohne etwas dafür zu tun, dann wird auch unser Blick für viele Diskriminierungen differenzierter und geschärfter und vor allem können wir dann unmöglich noch behaupten, dass uns das nichts angeht.

Wir müssen anerkennen, dass Sexismus, Rassismus, Homo-, Trans-, und Behindertendiskriminierung uns alle etwas angeht. Wir müssen ausnahmslos alle dafür einstehen, dass Diskriminierungen in jeder Hinsicht ausgemerzt werden können. Denn die diskriminierte Gruppe ist immer in der Minderheit und deshalb – mein Vorschlag - machen wir doch aus der Minderheit eine Einheit mit uns allen. Dann, so bin ich überzeugt, kann uns nichts mehr aufhalten und wir machen diese Welt zu einer besseren.

Meine Bitte deshalb an dich: nimm dir beim nächsten Spaziergang, bei der nächsten Joggingrunde, bei der nächsten Fahrt zur Arbeit oder beim Zähneputzen einmal die Zeit, um dir zu beantworten, was für Privilegien du besitzt und ich bin überzeugt, je mehr jede*r einzelne von uns dessen bewusst ist, ist das ein Fortschritt in der Bekämpfung aller Diskriminierungen. Es kommt auf jede*n einzelne*n darauf an, deshalb nimm dich bitte da nicht raus. Ich will so fest daran glauben, dass es uns gelingen wird, dass jeder Mensch einmal gleichberechtigt ist. Egal welche Hautfarbe, Nationalität, Gender, Behinderung oder welche Partnerschaft man hat. Ich glaub an uns! Danke, dass du dir die Zeit nimmst, unsere Welt besser zu machen.


Eure privilegierte

MINKA

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