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Wir müssen was tun!


Fühlt ihr euch manchmal auch ausgenutzt? Habt aber trotzdem das Gefühl, es ist eure Aufgabe und ihr müsst diese Aufgabe ohne zu hinterfragen und ohne Widerwillen übernehmen und erledigen? Meine Fragestellung ist eventuell etwas verwirrend, aber lässt es mich erklären, wie ich das meine.


Obwohl ich keine eigenen Kinder habe, meine Eltern nicht pflege oder andere pflegebedürftige Personen betreue, was die grössten Bereiche der unbezahlten Care Arbeit darstellt, leiste ich immer wieder unbezahlte häusliche Arbeit für andere oder besser gesagt, ich habe sie immer wieder geleistet - ohne sie jeweils zu hinterfragen. Bis noch vor kurzem.


Ich übernahm selbstverständlich und ohne zu überlegen die meisten Haushalts-angelegenheiten, da mein Freund 100% angestellt ist und ich nur ein 90%-Pensum absolviere. Ich habe ja einen Nachmittag mehr Zeit, all die Sachen zu erledigen, die es halt zu erledigen gibt. Zum Beispiel Wäsche waschen, einkaufen, putzen, soziale Treffen arrangieren, Feste organisieren, Termine abmachen und vieles vieles mehr, das häufig zuerst gar nicht sichtbar ist. Es ist nämlich einfach normal, dass man es eben einfach macht oder es hat sich so eingebürgert, weil es uns vor allem so vorgelebt wird.


Obwohl mein Freund mir immer sehr dankbar war und mir das auch immer wieder gesagt und gezeigt hat, fühlte es sich für mich irgendwie nicht richtig an. Wir hatten trotz seiner Wertschätzung immer wieder Diskussionen über viele Kleinigkeiten, die den Haushalt betreffen. Der Vorwurf „du hast schon seit drei Wochen nicht mehr eingekauft oder dich anderweitig bei der Hausarbeit beteiligt“ war einer meiner ever greens in unseren Auseinandersetzungen. Wie ihr euch vorstellen könnt, können sich dann solche Diskussionen ins Endlose ziehen und sind absolut nicht zielführend.


Wieso aber habe ich mich immer wieder geärgert? Ich gab meinem Freund ja vielfach gar nicht die Gelegenheit, mich im Haushalt angemessen zu unterstützen.

Damit wir das Wochenende nicht mit lästigem Putzen und anderen Erledigungen verbringen mussten, habe ich alle Haushaltsangelegenheiten jeweils schon am Freitag erledigt. ICH wollte das so. Ich nahm also meinem Freund einfach so seinen Part weg und habe mich auch noch darüber geärgert, dass er nichts macht.

Es macht ganz klar auch Sinn, liebe MINKA, am Freitag die Wohnung blitzeblank zu putzen und dann am Samstag von deinem Freund zu erwarten, dass er auch noch etwas im Haushalt macht, wenn doch schon alles erledigt ist. Das nennt man sogenannte Perlen vor die Säue werfen. Also, wieso ärgere ich mich hier?

Die Antwort darauf ist: es ist unbezahlte häusliche Arbeit, die eigentlich „zur Hälfte“ mein Freund übernehmen müsste und auch mein natürlicher Kompass für Gerechtigkeit in mir gibt mir an, dass das eben nicht gerecht ist.


Mein Freund hat selbst entschieden 100% zu arbeiten und er verdient dementsprechend auch 100%. Das heisst, er hat automatisch Ende Monat mehr Kohle auf dem Konto als ich und spart automatisch auch noch mehr für seine Altersvorsorge. Auch ich habe selbst entschieden nur 90% zu arbeiten und verzichte dementsprechend auf Kohle und habe auch weniger Guthaben im Alter zur Verfügung. Das ist ein bewusster Entscheid von mir. Die zusätzliche freie Zeit gibt mir persönlich viel mehr als das zusätzliche Geld. Aber ich verzichte auf Einkommen, damit ich extra mehr Zeit für mich habe und verbringe dann meine freie Zeit irrsinnigerweise mit Arbeit, die zwar auch mir zugute kommt, aber ich befreie zusätzlich meinen Freund von all seinen To Do’s @home. Diese alltäglichen Aufgaben müsste er schliesslich auch irgendwie organisieren und/oder erledigen, wenn er alleine wohnen würde. Egal mit welchem Arbeitspensum er angestellt ist. Also soll er seinen Anteil gefälligst genauso beitragen in unserem gemeinsamen Haushalt, auch wenn ich einen Nachmittag mehr Freizeit habe. Ich verzichte schlussendlich auch auf Geld, damit ich mehr Freizeit habe. Mein Verzicht soll nicht meinem Freund zugutekommen, damit er mehr Freizeit hat, sondern mir.

Natürlich bin ich bereit auch einmal mehr zu übernehmen oder sogar ein bis zwei Wochen alle Hausarbeiten zu erledigen – so stur sind wir dann doch nicht - aber ich erwarte im Gegenzug dasselbe dann auch von ihm.


All dies hat mein Freund nie von mir verlangt, um das hier einfach einmal klarzustellen. Wir haben das Beziehungsmodel gelebt, welches uns auch vorgelebt wurde. Das hat bei unseren Eltern schliesslich auch funktioniert. Unsere Väter kamen von ihrem – unbestritten strengen – Arbeitsalltag nach Hause, hatten dann aber auch wirklich Feierabend. Währen unsere Mütter vom morgigen Klingeln des Weckers bis ins Bettschlüpfen, durchgehend gearbeitet haben. Feierabend war für meine Mutter zum Beispiel ein Fremdwort.


Mein Freund und ich leben nun seit ungefähr drei Jahren ein anderes Model und wisst ihr was? Wir streiten uns seit Monaten nie mehr über Kleinigkeiten, wie Putzen, Einkaufen, Botengänge und alles was eben tagtäglich anfällt.

Unser Model ist aber auch ein sehr privilegiertes Model und sicherlich nicht für jede Person umsetzbar. Da wir selbstständig sind und meine Arbeit in unserer Firma saisonalen Schwankungen unterworfen ist, kann ich in den Zeiten, in denen weniger Arbeit anfällt, 10% meiner Anstellung für unsere gemeinsame häusliche Arbeit aufwenden. Deshalb motze ich seither auch nicht mehr. Meine Arbeit ist nämlich nun nicht mehr unbezahlt, sondern bezahlt. Das ist ein enorm grosser Unterschied, diese Bezahlung. Unterschätzt das nie.


Ein kleines, aber sehr anschauliches Beispiel hierzu. Nebst unserer gemeinsamen Firma besitzt mein Lebenspartner noch eine weitere Firma. Für seine Firma suchte er vor einigen Jahren jemanden für die Erledigung der Buchhaltung. Er fragte mich, ob ich nicht Lust hätte einmal in der Woche zwei bis drei Stunden dafür aufzuwenden – so nebenbei in meiner Freizeit natürlich. Das war noch in einer Zeit als ich dachte: Klar doch, ich habe Zeit und unterstütze dich gerne in dieser Angelegenheit. So quasi: Ich bin eine gute Freundin und werde meine Zeit komplett dir und deinen Bedürfnissen widmen. Was für eine Scheisse ich damals noch so gedacht habe. Heute kann ich nur noch den Kopf darüber schütteln. Um es nicht zu beschönigen, jede Woche hatte ich den grössten Anschiss, mich dieser Buchhaltung anzunehmen. Ich zwang mich zwar, aber meine Zündschnur war noch nie so kurz wie während der Erledigung dieser Buchhaltung. Wir stritten viel über fehlende Belege, unstimmige Zahlen und nicht erhaltene Informationen. Ehrlich gesagt, ich war ein kleines Biest. Schon nur der kleinste Fehler liess ich zum grössten Vorwurf überhaupt werden. Aber nur bis zu dem Zeitpunkt, als er mich für meine Dienste im Stundenlohn anstellte. Belege fehlen zwar immer noch und auch manchmal habe ich nicht alle Informationen zusammen, um die Buchhaltung fertigzustellen, aber ich ärgere mich nicht mehr. Meine Arbeit erhält einen Gegenwert und nicht nur in Form von Dankbarkeit oder ich bin jetzt die beste Freundin ever, sondern in Form von Geld. Es ist von einer unbezahlten Arbeit zu einer bezahlten geworden und somit gebe ich auch keine Freizeit mehr her. Das schien mir ganz oke zu sein und ich fand mein Frieden damit.


Wenn ich hier von meiner unbezahlter Arbeit schreibe, ist es gejammert auf hohem Niveau, jedoch hat auch diese ihre Berechtigung. Meine unbezahlte oder mittlerweile eben bezahlte Arbeit ist lächerlich gegenüber einer Frau*, die Kinder hat, einen Haushalt schmeisst, ihre Eltern und die von ihrem Partner pflegt, eine Teilzeitarbeit oder ev. sogar einen Fulltimejob hat und sich noch um alle anderen sozialen Angelegenheiten einer Familie kümmert. Sie ist Superwoman hoch 1000 und erhält gesellschaftlich geringe bis gar keine Anerkennung für ihre immense Leistung jeden Tag. Das ist traurig und muss unbedingt geändert werden.


Welches Model lebt ihr in euren Beziehungen und Familien? Was könntet ihr anpassen, damit die unbezahlte Care Arbeit oder die gemeinsame unbezahlte häusliche Arbeit gerechter verteilt wird? Ich bin überzeugt, wenn wir alle bei uns selber beginnen und wir von innen heraus einen anderen Weg gehen, erhält die unbezahlte Care Arbeit, die es vor allem am dringendsten braucht, plötzlich viel mehr Anerkennung. Was schon mal etwas ist – nicht viel, aber es ist was. Damit grundsätzlich das Problem von der unbezahlten Care Arbeit gelöst werden kann, braucht es Politik, Gesetze und die komplette Gesellschaft, die dahintersteht. Bis dies aber einmal soweit sein wird, fliesst noch viel Wasser „d Aare dsdürab“. Beginnt deshalb bei euch selbst und werdet aktiv. Ich verspreche euch weniger Diskussionen mit eure*m Partner*in, mehr Gelassenheit, mehr Freizeit und vor allem Gerechtigkeit.


Justice first

eure MINKA

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